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Wirtschaft & Gesellschaft
Die traditionelle Wirtschaft und die Lebensart der Ladiner waren jahrhundertelang
von der Landwirtschaft geprägt. Die ladinischen Täler waren arm, das Kunsthandwerk
entstand aus der Notwendigkeit eines zusätzlichen Broterwerbes.
Heute
beherrscht der Tourismus das Bild der ladinischen Täler.Doch bleiben Landwirtschaft
und Handwerk weiterhin wesentlich, auch wenn diese nicht so sichtbar sind
bzw. außerhalb der den Touristen bekannten Routen sind. Allerdings können
sich wenige von der Landwirtschaft allein ernähren: Die Bauern, die keiner
2. Arbeit nachgehen, sind immer weniger, in manchen Dörfern kann man sie
an einer Hand aufzählen. So gut wie nicht vorhanden ist die Industrie.
Durch den Tourismus hat sich das soziale Gefüge drastisch verändert. Die
"Jahreszeiten" sind vom Tourismus (Saison/"sajun" = Jahreszeit) bestimmt.
Die traditionelle bäuerliche Lebensweise ist meist verschwunden.
Die durch die Landwirtschaft gepflegte Landschaft gehört wesentlich zur
landschaftlichen Schönheit.
Ein zweischneidiges Schwert
Bekannt
ist Ladinien vor allem durch den Tourismus. Die Dolomiten mit ihren Ortschaften,
die Liftanlagen und Pisten des Dolomiti Superski, die italienweit bekannten
noblen Restaurants sind das Aushängeschild der heimischen Wirtschaft - was
sich in den Klischees der Nachbaren spiegelt.
Die Entwicklung des Tourismus begann vor ca. einem Jahrhundert, als die
Sommerfrische in den Dolomiten zu einem Vergnügen für wenige Auserwählte
wurde. Die Hotels, die in dieser Zeit entstanden, sind Nobelhotels, gebaut
in einem städtischen Stil und mit für die Dörfer ungewöhnlichen Ausmaßen:
Das Bild der Dörfer beginnt, sich grundlegend zu verändern. Eine neue Entwicklung
des Tourismus setzte nach dem 2. Weltkrieg ein, als der Wohlstand breite
Gesellschaftsschichten erfasste. Der Tourismus wurde zum Massentourismus.
Die Ladiner waren die Pioniere des Wintertourismus; die Nachbartäler haben
von den Errungenschaften profitiert.
Der Tourismus wird vielfach kritisiert, er bringt Nachteile mit sich:
- er führt zum Ausverkauf von Ferienhäusern und Wohnungen, die nur wenige
Wochen im Jahr bewohnt sind. Es gibt außerhalb der Saison ganze "Geisterdörfer".
Das Dorfbild hat sich verändert, es wird häufig von überdimensionalen
Hotels beherrscht (oft in einem pseudoalpinen Stil)
- Die kulturelle Überlieferung, die Bräuche, die Trachten werden dem
Touristen zur Begaffung angeboten - es ist eine Kommerzialisierung und
damit eine Verfälschung der Tradition
- Die vom Tourismus geförderte Zuwanderung von Arbeitskräften hat in
Graubünden wesentlich zur Germanisierung von Dörfern und von ganzen
Gegenden geführt (St. Moritz/San Murezzan). In Cortina sind durch die
Zuwanderung (v.a. seit den olympischen Winterspielen 1956, die Cortina
weltberühmt gemacht haben) die Ladiner in der Minderheit
Der Tourismus bringt auch Vorteile:
- Der Tourismus bringt Wohlstand, die Ladiner müssen nicht auswandern.
Auch das Handwerk, die Bauwirtschaft, der Handel etc. leben vom Tourismus,
der so zur Existenz der Volksgruppe beiträgt
- Der Tourismus trägt dazu bei, das Wissen um die Existenz des Ladinischen
über die Landesgrenzen hinauszutragen: Viele Menschen aus verschiedenen
Teilen Europas wissen um das Ladinische aus ihren Ferien. In den Schulen
und in den Medien wird ihnen darüber meist nichts berichtet
- Durch den Tourismus ist Ladinien stärker. Mit dem Wohlstand ist das
Selbstbewusstsein gestiegen. Dies wirkt sich auch kulturell und politisch
aus. Die Ladiner sind mehr auf ihre Unabhängigkeit bedacht. Die Ladiner
werden von den Nachbaren zumeist nicht mehr als minderwertig angesehen
(anstelle der Verachtung von früher ist mancherorts jedoch der Neid
getreten).
Medien
La Usc di Ladins
Die "Usc di Ladins" (Die Stimme der Ladiner) ist das einzige Medium, das
(die faschistische Dreiteilung überwindend) alle Ladiner der Dolomiten berücksichtigt.
Sie wird von der Union Generela di Ladins dla Dolomites herausgegeben. Finanziert
wird sie durch Werbung, Beiträge aus öffentlicher Hand, Abonemments und
private Sponsoren.
Die Zeitung wurde 1949 als "Nos Ladins" (Wir Ladiner) gegründet. Im Laufe
ihrer schwierigen Existenz wurde die Zeitung immer wieder angefeindet (vor
allem von Vertretern der Mehrheit, die Ladinisch nicht verstehen), es wurde
von ihr gefordert, nicht über Politik zu schreiben: Thematische Verbote
für ladinische Medien?
RAI ladina
Rundfunk und Fernsehen
Sendungen
in ladinischer Sprache
Radio:
täglich (außer Sonntag):
13.30-13.50 Nachrichten
13.50-14.05 "La copa dal cafè" (Allgemeinbildung, Kultur)
19.00-19.05 Nachrichten
19.05-19.30 Kultursendung
Sonntag:
12.30-12.45 Nachrichten
12.45-13.00 La copa dal cafè
Fernsehen:
täglich
19.55-19.59'30 Trail (Tagesschau)
jeden Donnerstag
20.30-20.40
Paladina (Kultur, Allgemeinbildung)
jeden letzten Donnerstag des Monats:
zusätzlich 30 Minunten (Kultur/Aktualität)
Ladinische Teile in anderssprachigen Medien
- Alto Adige (jeden Dienstag eine Seite)
- Dolomiten (Dienstag, Donnerstag und Samstag jeweils eine Seite, ein
großer Teil davon ist Deutsch abgefaßt)
- Radio Gherdëina (private Rundfunkanstalt, sendet in den Sprachen Ladinisch
und Deutsch)
- Radio Studio Record (private Rundfunkanstalt in Fascia, sendet in
den Sprachen Ladinisch und Italienisch)
Nachteile der ladinischen Medien:
- keine Importmöglichkeiten, alles muss vor Ort produziert werden
- kleiner Markt durch die geringe Zahl der Leser (Selbstfinanzierung
nicht möglich)
- keine Agenturmeldungen in der eigenen Sprache, kaum Agenturmeldungen
über den ladinischen Raum
- kein Gesetz für die gezielte Förderung ladinischer Medien. Die bestehenden
Bestimmungen nehmen den wesentlichen Unterschied zwischen Minderheit
und Kleinsprache nicht wahr.
Medien in Graubünden
La quotidiana (Tageszeitung, zur Gänze romanisch)
Radio Rumantsch: 14 Stunden täglich
Televisiun Rumantscha: Von Montag bis Freitag
18.45 - 18.55 Telesguard (Tagesschau), dazu am Sonntag Kultursendungen.
Verschiedene Regionalzeitungen, Radio Piz Corvatsch und Radio Grischa (zweisprachige
Privatradios)
Romanische Nachrichtenagentur (Agentura da
Novitats Rumantscha)
Friaul
Radio onde furlane (Privatradio)
La Patrie dal Friûl (Monatszeitschrift)
La vita cattolica (Wochenzeitung, hat regelmäßig kleine Teile auf Friaulisch)
Int furlane (Dreimonatszeitschrift)
Die wichtigsten Institutionen und Vereine
Union Generela di Ladins dla Dolomites
Dachorganisation der ladinischen Kulturvereine (Union di Ladins) in den Dolomiten. Die Union Generela ist Herausgeberin der einzigen ladinischen (Wochen)Zeitung, der "Usc di Ladins". Außerdem ist sie Initiatorin des ladinischen Rockfestivals "Ladinia-Tour".
Die Union Generela ist der einzige Verein, der über die von Benito Mussolini geschaffene Dreiteilung hinausgeht. Aus diesem Grund (und weil sie auf ihre politisch-ideologische Unabhängigkeit besteht) wird die Union Generela von der Südtiroler Volkspartei angefeindet und ausgegrenzt. Selbst als Kulturorganisation will man sie nicht anerkennen. Publizistische Beihilfe zu dieser Ausgrenzung (und zur Beibehaltung der Dreiteilung) leistet seit Jahren die Tageszeitung “Dolomiten”.
Comunanza ladina a Bulsan
Kulturvereinigung der Dolomitenladiner in Bozen. Tätigkeit: Tagungen und
Vorträge, Ladinischkurse, Konzerte, Kulturausflüge. Reichhaltige Bibliothek
an Literatur über Ladinien.
Istitut Cultural Ladin "Majon di Fascegn"
Kulturinstitut für die Ladiner von Fascia - es war die erste eigenständige
Kulturinstitution für die Ladiner. Forschungsinstitut für Sprachwissenschaft,
Geschichte, Kultur der Ladiner. Gibt Bücher heraus sowie die Jahreszeitschrift
"Mondo ladino".
Istitut Cultural Ladin "Micurà de Rü"
Kulturinstitut für die Ladiner der Provinz Bozen mit gleichen Aufgaben wie
das fassanische Kulturinstitut. Gibt Bücher heraus (Geschichte, Literatur,
Übersetzungen von fremdsprachiger Literatur, wie z.B. "Der kleine Prinz")
sowie die Jahreszeitschrift "Ladinia".
Ladinisches Schulamt
Das ladinische Schulamt hat die Aufgabe, die Schulen der ladinischen Täler
zu verwalten. Das Schulamt verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel.
Istitut Pedagogich Ladin
Das pädagogische Institut hat die Aufgabe, das Lehrerpersonal weiterzubilden
und didaktisches Material für die Schulen herauszugeben.
Museum ladin Ciastel de Tor
Das Ladinische Landesmuseum in San Martin de Tor
Consulta ladina (Gemeinde Bozen)
Die Consulta nimmt sich der Anliegen der ladinischen Gemeinschaft in Bozen
an. Außerdem organisiert sie Kulturveranstaltungen.
Graubünden: Lia rumantscha (LR)
Gegründet am 26. Oktober 1919.
Dachorganisation aller rätoromanischen Sprach- und Kulturvereine. Gemeinnützige,
politisch und konfessionell neutrale Institution. Zielsetzung: Förderung
der rätoromanischen Sprache und Kultur. Förderung des Rätoromanischen in
Familie, Schule, Kirche und im öffentlichen Leben.
Finanzielle Mittel: Jährliche Bundes- und Kantonsbeiträge. Einnahmen aus
dem Bücherverkauf, aus Übersetzungsaufträgen etc., Zuwendungen von verschiedenen
öffentlichen und privaten Organisationen und Stiftungen.
Die Lia Rumantscha hat 15 Arbeitsstellen für verschiedene Dienste: Kindergarten,
Regionale Mitarbeiter, Sprachdienst und Sprachauskunft (Pflege und Förderung
der Regionalvarianten, Neuwortschöpfungen, Bereitsstellung von Fachterminologien
und Lehrmitteln, Information und Beratung).
Die LR ist außerdem zuständig für Ausbau und Verbreitung der rätoromanischen
Einheitssprache Rumantsch Grischun.
Verlag: Herausgabe von Wörterbüchern, Grammatiken, Sprachlehrmitteln, Anthologien,
Fachterminologien, Kinder- und Jugendbüchern, Comics, Kassetten, CD's und
Unterhaltungsliteratur. Beiträge für rätoromanische Werke anderer Verlagshäuser.
Gesang und Musik: Regelmässige Vermittlung von Gesang- und Musikstücken
einheimischer Komponisten an interessierte Chöre.
Schule
"Das gesamte 20. Jahrhundert war in diesen zwei Tälern vom Versuch
der monokulturellen Assimilierung gekennzeichnet"
(Roland Verra, lad. Schulamtsleiter)
Warnung
Ein fremder Prophet ist aufgestanden, er schwingt eine fremde, feindliche
Fahne und sammelt Unterschriften zu einer Petition für die gänzliche Verdeutschung
der hiesigen Schule. Grödner. seid auf der Hut, laßt euch nicht betören
und bietet nicht selbst die Hand zur Zerstörung eines unersetzlichen Schatzes,
eines wahren Reichtums, nämlich eurer Muttersprache.
Aus einem Flugzettel, geschrieben von Franz Moroder, Bürgermeister
von Urtijëi, im Jahre 1905
Die Ladiner lernen in der Schule ihre Sprache nicht. Mit einer
oder zwei Wochenstunden lernt man keine Sprache der Welt.
Südtirol: Paritätische Schule
In der ersten Klasse Volksschule wird Italienisch und Ladinisch oder Deutsch
und Ladinisch unterrichtet. In den anderen Klassen der Pflichtschule wird
die Hälfte der Fächer Deutsch, die andere Hälfte Italienisch unterrichtet.
Für Ladinisch bleibt eine winzige Ecke übrig: In der Pflichtschule zwei
Wochenstunden, in der Oberschule eine einzige Stunde Ladinisch.
Die Regelung gilt nur für die Schulen der ladinischen Täler, also Val Badia
und Gherdëina; außerhalb gibt es keine Möglichkeit, Ladinisch zu lernen.
Mehrere Oberschultypen gibt es nicht in den ladinischen Tälern. In diesen
Schultypen wird den Ladinern der Muttersprachenunterricht prinzipiell nicht
ermöglicht.
Durch die Anhebung der Pfichtschule müssen viele Ladiner ihr letztes Jahr
außerhalb ihres Tales besuchen. Damit ist nicht einmal der minimale Muttersprachenunterricht
in der Pflichtschule garantiert.
Als Unterrichtssprache wird Ladinisch nicht verwendet - dies wird durch
das Autonomiestatut verhindert (Artikel 19). Das Autonomiestatut, das eigentlich
die Rechte der Minderheit festschreiben sollte, verhindert also den angemessenen
Muttersprachenunterricht. Doch findet das Autonomiestatut nicht immer Anwendung:
Das Land Südtirol führt in Picolin eine Berufsschule, die Art. 19 des Autonomiestatuts
nicht einhält: Die Schule ist rein Deutsch und somit verfassungswidrig.
Provinz Trient
Ladinisch in den Schulen erlaubt, sowohl als Unterrichtsfach als auch als
Unterrichtsprache (seit 1993). In der Praxis jedoch beschränkt sich der
Unterricht derzeit auf eine Wochenstunde Ladinisch und eine oder zwei Stunden
Unterricht auf Ladinisch in den Pflichtschulen.
Provinz Belluno
Kein Ladinisch in der Schule
Friaul
Kein Ladinisch in der Schule
Die Folgen des mangelhaften Unterrichts der Muttersprache sind deutlich.
So sprechen viele ein Ladinisch, das in Grammatik und Vokabular stark von
deutschen oder/und italienischen Elementen durchsetzt ist. Es ist eine existenzbedrohende
Korrosion der Sprache. Dieser Umstand ist ein Beleg, dass mangelnder Muttersprachenunterricht
zum Untergang der Sprache führt.
Vorbild Graubünden
Im Kanton Graubünden bestimmen die Gemeinden ihre Verwaltungs- und Schulsprache.
85 Gemeinden führen eine romanischsprachige Grundschule, 16 eine deutschsprachige
Schule mit Rätoromanisch als Fach.
Primarschule Typ A (85 Gemeinden)
Rätoromanische Primarschule. Deutschunterricht von der 4. Klasse an (4 -
6 Lektionen/Woche).
Typ B (16 Gemeinden) Deutschsprachige Grundschule mit Rätoromanisch als
erster Fremdsprache (2 Lektionen/Woche)
Samedan: Schulversuch für zweisprachigen Unterricht
Rätoromanisch - Deutsch (die Ortschaft ist mehrheitlich deutsch).
Real- und Sekundarschule
2-4 Lektionen/Woche Rätoromanisch als Fach (Muttersprache) sowie einzelne
Fächer mit rätoromanisch als Unterrichtssprache.
Universität Bozen: Verstümmelte Dreisprachigkeit
Die Universität Bozen tritt dreisprachig auf: Deutsch, italienisch. Und
englisch. Die dritte Landessprache findet keine bzw. fast keine Berücksichtigung.
Deutsch, italienisch, englisch: Die Zukunft der Dreisprachigkeit in Südtirol?
Es wurde an der Universität kein Istitut für Ladinistik eingerichtet, obwohl
eines in Aussicht gestellt wurde. Die Universität Bozen wäre als erste dazu
berufen, Ladinistik und Ladinisch zu lehren, sie wird auch von ladinischem
Steuergeld finanziert, doch für die ladinische Sprache ist sehr wenig Platz.
An der Universität werden auch ladinische Lehrer ausgebildet (Pädagogische
Fakultät, Brixen), die später Ladinisch unterrichten sollen. Das Ausmaß
des Ladinisch-Unterrichts an der Universität ist jedoch eine Verhöhnung
der Sprache: Vier Stunden pro Monat. Wie sollen die Absolventen Ladinisch
unterrichten, wenn sie selbst nicht Ladinisch gelernt haben?
Würden sich die anderen zwei Sprachgruppen in Südtirol mit einer solch geringen
Präsenz der Muttersprache in den Schulen zufrieden geben? Fehlender Unterricht
der Muttersprache führt zur Assimilierung.
Recht
Dreiteilung - drei verschiedene Realitäten
Für die drei Provinzen und zwei Regionen, in denen Ladiner leben, gibt es
verschiedene Rechtstandards.
In der Provinz Belluno haben die Ladiner keine Möglichkeit, ihre Sprache
in der öffentlichen Verwaltung zu verwenden, es gibt keine nennenswerte
Kulturförderung, es gibt keinen Unterricht der Sprache in den Schulen. Es
ist eine Politik der Assimilierung. Nur der Idealismus einiger weniger schützt
die Ladiner der Provinz Belluno vor ihrer endgültigen Auslöschung.
In der Provinz Trient ist es deutlich besser bestellt. So wird in der Schule
Ladinisch unterrichtet, man kann das ladinischen Rundfunk- und Fernsehprogramm
der RAI empfangen, es gibt eine Kulturförderung, die bereits zu bemerkenswerten
Ergebnissen geführt hat. So wurde in Fascia das erste Ladinische Kulturinstitut
gegründet, das wichtige Impulse für die Erforschung, Erhaltung und für den
Ausbau der ladinischen Sprache gegeben hat. Die Gemeinden von Fascia haben
als einzige ein autonomes Verwaltungsgebiet in einer "Talgemeinschaft" und
damit eine Art "territoriale Definition" ihres Siedlungsraumes.
Rechtsstatus der Ladiner in den drei Provinzen
Situation in Südtirol
Die Ladiner sind gegenüber ihren anderssprachigen Nachbaren in vielem benachteiligt:
- Anwendung der Sprache
- Förderung der Kultur
- Zugang zu höheren Berufgsgruppen (erschwert oder gar verschlossen)
- Unterricht in der Muttersprache
- Medien in der eigenen Sprache
- Teilnahme am politischen Geschehen des Landes
- Selbstverwaltung der Sprachgruppe
Anwendung der Sprache
Seit 1989 ist Ladinisch in Val Badia und Gherdëina Verwaltungssprache. Seit 1993 ist Ladinisch in Fascia Verwaltungssprache. Nicht Verwaltungssprache ist Ladinisch in Fodom, Col und Anpezo.
Die Realität in Südtirol ist mehr als nüchtern. Die ladinische Sprache wird sehr oft ausgegrenzt. In den Ämtern in Bruneck oder Brixen sowie in Bozen wird das Ladinische in der Regel nicht verwendet. Viele Ämter gibt es nicht in den ladinischen Tälern. So müssen die Ladiner sehr oft bei der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten als Bürger auf ihre Muttersprache verzichten. Die Landesverwaltung stellt die verschiedenen Formulare, Bestätigungen, Dokumente etc. für die Ladiner häufig nur deutsch und italienisch aus. Auf Landesebene wird immer mehr eine recht eigentümliche Dreisprachigkeit durchgesetzt: Deutsch, Italienisch. Und Englisch. Damit wird offiziell gezeigt, dass die Ladiner nicht als Bürger des Landes ansieht, bzw. als zweitklassige Bürger des Landes behandelt werden.
Selbst in den ladinischen Tälern gebraucht die Landesverwaltung oft nicht die ladinische Sprache.
Es gibt zwar die Bestimmung, dass Ladinisch auch dort Verwendung findet, wo es vor allem oder ausschließlich um ladinische Belange geht; vor allem aber müssten die Aufschriften in den ladinischen Tälern auch ladinisch sein; diese Bestimmung wird immer wieder missachtet. Viele Veröffentlichungen und Mitteilungen (inklusive die öffentlichen Webseiten) sind nur deutsch und italienisch. Die Pflicht für dreisprachige Beschriftungen in den ladinischen Tälern wird von der Landesverwaltung häufig missachtet (so z.B. vom Amt für Naturparke, vom Assessorat für öffentliche Bauten, vom Assessorat für Sozialwesen).
Ein Beispiel: aus der Tageszeitung “Dolomiten”, Samstag, 21. April 2001
Wo bleibt die ladinische Bezeichnung?
Balsan/Bozen (eb) - Für eine einheitliche Ortsbeschilderung in den ladinischen Tälern Gadertal und Gröden hat sich Landeshauptmann Luis Durnwalder erst vor einigen Monaten ausgesprochen. "Es wirft kein gutes Licht auf die Gemeinden, wenn die Ortsschilder in Ladinien so unterschiedlich gestaltet sind, wie sie es derzeit sind. Deshalb soll man sich an die von der Landesregierung festgelegte Sprachreihenfolge halten, die da lautet: Ladinisch, Deutsch, Italienisch", schrieb der Landeshauptmann. Vor knapp einer Woche wurde die Gadertaler Straße geschlossen, und der Verkehr wird für die nächsten fünf Jahren auf die so genannten Panoramastraßen umgeleitet. Große Hinweisschilder sind daher auf der Pustertaler Straße und auf der Gadertaler Straße angebracht worden. Diese sind aber wieder einmal nur zweisprachig: Die dritte Landessprache ist mitten in den ladinischen Tälern auf der Strecke geblieben!
(Dieser Artikel ist eine Ausnahme – die genannte Tageszeitung übt zwar regelmäßig Kritik am Fehlen oder der fehlerhaften Anbringung deutscher Aufschriften, übersieht aber gewöhnlich das – sehr häufige - Fehlen ladinischer Aufschriften).
Der öffentliche Verkehr verwendet weder die ladinische Sprache noch die ladinische Toponomastik. Kein Fahrplan, keine Mitteilung in ladinischer Sprache, auch nicht auf jenen Bussen, die nach Ladinien bzw. nur in Ladinien verkehren. Die Busse fahren nach St. Vigil und San Viglio, aber nicht nach Al Plan. Die von der Landesverwaltung herausgegebenen öffentlichen Fahrpläne führen weder die ladinische Sprache noch die ladinischen Ortsnamen an.
Die Verkehrsmeldezentrale verwendet ausschließlich die deutschen und italienischen Bezeichnungen für die ladinischen Ortschaften, nicht aber die ladinischen. Die Züge von Rom nach Norden fahren nach “Bolzano/Bozen”, oder nach “Bressanone/Brixen”. Dieses Recht auf die eigenen Namen wird den Ladinern in Südtirol aber nicht gewährt: Südtirol hat in Sachen Respekt vor der Minderheit von Rom zu lernen.
Der öffentliche Verkehr in Südtirol germanisiert/italianisiert sogar rätoromanische Ortsnamen in Graubünden. Müstair (dies der einzige offizielle Name) wird so zu “Münster” und “Monastero”. Tolomeis Werk ist noch nicht abgeschlossen.
Wenn von italienischer/staatlicher Seite die deutsche Sprache nicht verwendet wird, kommt von politischer und medialer Seite harsche Kritik, wenn die ladinische Sprache nicht verwendet wird, hört man meist gar nichts. In der Verwendung der Sprache ist der viel gescholtene italienische Staat gegenüber Südtirol vorbildlicher als die Landespolitik in Südtirol gegenüber den Ladinern.
Autonomiestatut
Das Autonomiestatut wurde von der Region Trentino-Südtirol bzw. von der autonomen Provinz Bozen in mehrere Sprachen übersetzt. Symptomatisch: Ins Ladinische ließen sie das Statut nicht übersetzen - als wären die Ladiner vom Statut gar nicht betroffen - und als wären sie nicht Bürger dieses Landes.
Für die Übersetzung ins Ladinische musste die politische Bewegung der Ladiner, die "Ladins" sorgen - auf eigene Kosten.
Absurd und minderheitenfeindlich
Erst Jahre danach wurde vom Amt für Sprachangelegenheiten des Landes eine Adaptierung in die Idiome Gherdëina und Badiot vorgenommen. In diesen Fassungen des Autonomiestatus wird die erste Übersetzung nicht erwähnt, obwohl sich die neuen „Übersetzungen“ deutlich an diese Version anlehnen. Auch in der Pressemeldung des Landes wurde die bereits bestehende Übersetzung ins Ladin standard nicht erwähnt. Die Liste Ladins hat protestiert: Ihre Übersetzung sei nur umgeschrieben worden, und man hätte nicht einmal den Anstand gehabt, die Quelle zu erwähnen. In der Tat ist ein Vergleich der Versionen sehr aufschlussreich.
Auch andere Gesetzestexte werden ins Ladinische übersetzt – nach und nach (langsam) wird die Menge der ladinischen Dokumente also größer. Doch mit einem großen Problem: Es wird alles in zwei Varianten übersetzt, Gherdeina und Badiot. Ein doppelter Aufwand also.
Die einheitliche Schriftsprache Ladin standard wurde von der Politik nämlich verboten. Alle namhaften Sprachwissenschaftler sind sich einig, dass die Schriftsprache Ladin standard für das Überleben der ladinischen Minderheit unverzichtbar ist. Die Südtiroler Landesregierung aber verbietet diese Sprachform.
Vor dieser beschämenden Entscheidung wurden wohlweislich keine Fachleute befragt – diese hätten alle dazu geraten, das Ladin standard endlich einzuführen und nicht zu verbieten. Noch ein Detail ist aufschlussreich: Kurz vor diesem Verbot waren Wörterbuch und Grammatik der Schriftsprache vorgestellt worden (inzwischen liegt auch ein das automatische Korrekturmodul für das Schreibprogramm Microsoft Word vor): Die Sprachform liegt also fertig ausgearbeitet vor. Dies hat die Landesregierung aber gar nicht zur Kenntnis genommen. Der für die ladinische Kultur zuständige Landesrat war zur Vorstellung gar nicht hingegangen. Die Meinung der Sprachwissenschaftler, welche die Schriftsprache ausgearbeitet haben, wurde nicht eingeholt. Als Feigenblatt für die beschämende Entscheidung, die Schriftsprache zu untersagen, hat sich der zuständige Politiker die negative Meinung des Verwaltungsrates des „Istitut Ladin Micurà de Rü“ geholt – in diesem Verwaltungsrat sitzt der Politiker selbt drin, was ein untragbarer Zustand ist. Zudem ist der Verwaltungsrat des Istitut Ladin dazu berufen, das Institut zu verwalten und nicht dazu, sprachpolitischen Entscheidungen zu treffen, die alle Ladiner betreffen (dazu fehlt auch den Mitgliedern des Verwaltungsrates die Kompetenz). Abgesehen davon, dass dieser Verwaltungsrat politisiert ist.
Der ladinischen Sprachgruppe wurde mit dem Dekret der Landesregierung eine unverzichtbare Bedingung für das Überleben genommen. Dennoch behaupten diese Politiker, sie würden sich für die ladinische Sprache und Kultur einsetzen.
Der ladinischen Sprachgruppe wurde mit dem Dekret der Landesregierung eine unverzichtbare Bedingung für das Überleben willkürlich genommen. Dennoch behaupten diese Politiker, sie würden sich für die ladinische Sprache und Kultur einsetzen. So wird denn noch einmal die faschistische Dreiteilung bestärkt, und es werden sinnlos Geld und Energien verschwendet für doppelte Übersetzungen - und Übersetzungen unterlassen, die ein Grundrecht der ladinischen Minderheit wären.
Vergleich: Verwendung des Rätoromanischen in der Schweiz
In
der Schweiz wird die rätoromanische Sprache konsequent angewendet. Die
Sprache wird nicht marginalisiert. Sie wird auf regionaler Ebene für alle
Dokumente für romanische Bürger verwendet, ebenso geschieht dies auf kantonaler
Ebene. Außerdem wird die Sprache von den staatlichen Stellen wie Post,
Bahn, Militär verwendet - auch auf dem "Schweizer Nationalheiligtum",
dem Geld, wird Rätoromanisch verwendet.
Viel mehr verwendet wird die Sprache der Minderheit auch von Privaten.
Kulturförderung
Ladinisch ist - im Gegensatz zum Deutschen - eine Sprache ohne Hinterland:
Es muß alles vor Ort produziert werden, es kann nichts importiert werden.
Zudem ist es eine kleine Sprachgemeinschaft, die Abnehmerzahl zu gering,
um Kultur durch den Markt zu finanzieren. Dennoch gibt es nicht eigene
Richtlinien, Bestimmungen und Gesetze für eine Förderung der ladinischen
Kultur. Die ladinische Kultur wird nach den gleichen Kriterien gefördert
wie die deutsche Kultur. Eine Ausnahme bildet nur das ladinische Kulturinstitut.
Proporz
In Südtirol werden die öffentlichen Stellen nach der Sprachgruppenstärke
vergeben. Dies bringt einerseits eine Sicherheit, dass die Ladiner in
den öffentlichen Stellen auf ihren Anteil kommen. Da aber die Ladiner
nur ca. 4% der Südtiroler Bevölkerung ausmachen, werden sie in jenen Bereichen,
wo es wenige Stellen gibt, ausgeschlossen. Es gibt damit Berufsgruppen/öffentliche
Stellen, aus denen die Ladiner prinzipiell ausgeschlossen sind! Es werden
also Menschen aufgrund ihrer Sprache diskriminiert - ein Prinzip, das
dem ersten Prinzip der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie
der italienischen Verfassung (Artikel 3) widerspricht: Kein Mensch darf
aufgrund seiner Sprache, sozialen Herkunft etc. benachteiligt werden.
Südtirol - ein Vorbild?
Kein Platz für Ladiner
Die Ladiner sind aus vielen Kommissionen und Gremien ausgeschlossen, obwohl
dort auch ladinische Angelegenheiten behandelt werden.
Verwaltungsgericht: Kein Ladiner vertreten (obwohl das Verwaltungsgericht
auch über die gerechte Behandlung der Ladiner zu urteilen hat).
Landesregierung: Bisher ausgeschlossen (bzw. in nur einem Sonderfall vertreten:
Alexander Langer hatte sich bei der Volkszählung zum Ladiner erklärt.
Dadurch saßen nun zwei Ladiner im Landtag: Wenn zwei Ladiner im Landtag
sitzen, kommt einer in die Landesregierung), weil durch die Regelung verhindert.
Durch eine Änderung des Autonomiestatuts ist die Berufung eines Ladiners
in die Landesregierung möglich - doch nur, wenn die Mehrheit (also Deutsche
und Italiener) einverstanden ist. Die anderen Sprachgruppen jedoch haben
das Recht, in der Landesregierung vertreten zu sein.
Die neue Regelung sieht die Berufung von außen vor, d.h. es ist eine Umgehung
der demokratischen Wahlen.
Keine Selbstverwaltung
Die zwei ladinischen Täler der Provinz Bozen gehören zwei verschiedenen
Talgemeinschaften an. Eine ladinische Talgemeinschaft, die auch nur einen
geringen Anteil an Selbstverwaltung gewähren würde, wurde nicht gewährt.
Politische Dreiteilung
Die Dreiteilung verstärkt die Diskriminierungen. Die Ladiner können politisch
nicht geschlossen auftreten, es werden keine Rechte für alle erlassen.
Die Dolomitenladiner sind jeweils verschiedenen Wahlkreisen (in verschiedenen
Provinzen) zugeordnet und können bei Parlamentswahlen nicht einen gemeinsamen
Vertreter nach Rom schicken. Abhilfe schaffen könnte ein gemeinsamer,
provinzübergreifender Wahlkreis.
Die Dolomitenladiner sind sich darin einig, dass ihre Aufsplitterung
auf zwei Regionen und drei Provinzen, die daraus resultierende Ungleichheit
mit die größten Hindernisse für ihre Sprachgemeinschaft sind. Denn selbst
die vergleichsweise privilegierten Südtirolladiner haben keinen Zweifel
daran, dass zur Erhaltung der kleinen Nation noch viel weitreichendere
wirtschafts-, gesellschafts- und kulturpolitische Maßnahmen notwendig
sein werden. Ein mehr als nur geographisch gemeinsamer Lebensraum mit
einheitlichen politischen und verwaltungstechnischen Voraussetzungen steht
ganz obenan im gemeinsamen ladinischen Zielkatalog.
Aus:
Isolde von Mersi, Norbert Scantamburlo
Gadertal und Gröden, Südtirols ladinische Täler
Bozen: Athesia 1998
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