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Germanisierung durch Sprachverbot im Vinschgau Ein verschwiegenes Kapitel Tiroler Geschichte Eines der letzten heute nicht ladinischen Gebiete, die ihre Sprache aufgaben, war der obere Vinschgau. Es war kein freiwilliger Übergang vom Ladinischen zur fremden (deutschen) Sprache, sondern eine Zwangsassimilierung, auf die in der Tiroler Geschichtsschreibung nicht gern näher eingegangen wird. Die Tiroler Geschichtsschreibung war vornehmlich darauf bedacht, die lange Geschichte des Deutschtums in Südtirol seit der Landnahme der Bajuwaren darzustellen. Auch heute noch scheinen zahlreiche Geschichtswerke von dieser Einstellung nicht ganz Abstand genommen zu haben. Im 14. und 15. Jahrhundert war Romanisch die einzige bei Gericht zugelassene Sprache in Glurns. Ein Zeichen, daß die Bevölkerung einsprachig und romanisch war. Bis in diese Zeit gab es auch zahlreiche kulturelle, soziale und wirtschaftliche Kontakte mit dem benachbarten Müstair und Engiadina, was in der Kulturgeschichte Spuren hinterlassen hat. Außerdem gehörte der Vinschgau zum Bistum Chur. Um das Jahr 1600 war die Stellung des Romanischen im Vinschgau noch recht stark, vergleichbar mit heutigen Situation in Gröden. Bis etwa 1620 hat Stift Marienberg Kapuziner aus Müstair geholt, um auf romanisch (und katholisch) im Vinschgau zu predigen (ein Zeichen, daß die Bevölkerung kaum zweisprachig war). Ein Historiker schreibt 1898: "Das Matschertal (bei Mals) war im 17. Jahrhundert gleichfalls noch romanisch, selbst ein Jahrhundert später war im oberen Vinschgau das Romanische noch sehr gebräuchlich. Es ist bereits angeführt worden, daß Taufers im Münstertal erst vor ungefähr 70 Jahren zum Gebrauche der deutschen Sprache überging, während im benachbarten (schweizerischen) Münster heute noch ladinisch geredet wird. Ebenso sollen in Stilfs am Fuße des Wormser Joches zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch Leute gewesen sein, welche des Ladinischen kundig waren." (Wilhelm Rohmeder, Das deutsche Volkstum und die deutsche Schule in Südtirol, Wien 1898) "Taufers ward erst nach 1750 von der romaunschen Sprache geräumt", heißt es in einem Geschichtswerk. Der Ausdruck "räumen" ist nicht fehl am Platz: Die romanische Sprache wurde durch ein Sprachverbot buchstäblich weggeräumt. Für Versammlungen wurde die deutsche Sprache vorgeschrieben, die romanische Sprache hingegen verboten, ebenso wurden die Einstellung romanischer Mägde und Knechte verboten, verboten auch die romanischen Bräuche, verboten die Ehen mit Romanen. Treibende Kraft für das Verbot war der für seinen Fanatismus bekannte Abt des Klosters Marienberg, Mathias Lang. Grund bzw. Ausrede für die Germanisierung war die Reformation: Man hatte Angst, in das katholische Tirol könnte evangelisches Gedankengut eindringen durch die romanische Sprache (Graubünden ist teilweise evangelisch). Wenn die Macht der Untertanen nicht versteht, greift sie zu destruktiven Mitteln. So wurde der obere Vinschgau germanisiert. Doch trotz der drastischen Maßnahmen, die auf Methoden der Assimilierung in unserem Jahrhundert vorausweisen, war die Ausmerzung des Romanischen langwierig. Noch in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts lebten nach Auskunft von Sprachwissenschaftlern (wenige) Romanen im oberen Vinschgau. Zeugnisse der ehemals romanischen Sprachlandschaft sind heute noch Dialektausdrücke, die sich im Deutschen gehalten haben, sowie die zahlreichen Orts- und Flurnamen. |
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